Defender Celebration Solihull: Say good bye with a smile

Nach 67 Jahren geht Land Rovers Defender-Baureihe in Pension. Ein Abschiedsbesuch in Solihull, UK.


Download der Geschichte aus dem Allradkatalog 2016

Der 26. Jänner 2016 ist ein Tag, an dem Geschichte geschrieben wird. Um genau zu sein: Das Ende einer Geschichte, die 1947 im Sand der Insel Anglesey vor der walisischen Küste begonnen hat. Rover-Chefingenieur Maurice Wilks suchte für seinen Landbesitz ein neues Arbeitsgefährt. Auf Jeep-Basis wurde ein erster Prototyp mit 80 Zoll (2,3 m) Radstand ersonnen, die Stahlknappheit der Nachkriegszeit hat man mit Flugzeug-Aluminium ausgebremst, und ein paar Lackdosen mit dem Aircraft Cockpit Green der königlichen Luftwaffe waren auch greifbar. Der allererste Vorserien-Land Rover wird nach seinem Nummerntaferl HUE 166 unter dem Spitznamen „Huey“ als Legende verehrt; ihm ist auch das Sondermodell „Heritage Limited Edition“ in der aktuellen Lackfarbe Grasmere Green gewidmet.

Der 1947 als Land-Rover konstruierte Wagen wird seit 1948 in vier Modellgenerationen verkauft: Serie I bis 1958, Serie II bis 1971, Serie III  bis 1984.

Über 2 Millionen verkaufte Exemplare, von denen sagenhafte drei Viertel bis heute on- und offroad herumfahren, sind ein schöner Beweis für eine robuste Fangemeinde, die hinsichtlich Komfort nur beschränkte Ansprüche stellt. So ist die Sitzposition im Defender im freundlichsten Fall als kurios zu bezeichnen, für Personen jenseits der 1,80 Meter gilt sie als Verhörmethode. Die Windschlüpfrigkeit entspricht der einer Heuhütte, die Beschleunigung kann trefflich mit einer angebundenen Kuh verglichen werden. Im Innenraum zu vernehmende Fahrgeräusche verhindern außerhalb des Ortsgebiets verlässlich jeglichen Zank. Spaltmaße können Sie mit dem Daumen ausmessen, gelegentlich regnet es folglich ins Auto hinein.

Bis 1980 hielt sich der Bindestrich in der Wortmarke Land-Rover. Das aktuelle Modell heißt erst seit 1990 „Defender“.

Der Verlust der längs angeordneten Sitzbänke wurde von den europäischen Zulassungsbestimmungen ebenso erzwungen wie der Einbau eines ABS. Mit der Einstufung als LKW konnte dem Typisierungsregulativ noch ein wenig Gnadenbrot abgetrotzt werden. Der aus dem Ford Transit entliehenen Selbstzünder erfüllt die Euro-5-Abgasgrenzwerte, doch jetzt stehen Hindernisse an, an denen der Defender scheitert: Euro 6. ESP. Airbags. Fußgängerschutz.

Die Kostenrechner des Konzerns werden gewiss aufatmen, wenn Defenders final curtain fällt: Er steuert zum Gewinn nichts bei, er ist gerade kostendeckend. Was vielleicht an dem aus heutiger Sicht eher disproportionierten Personalaufwand liegt: 650 Personen arbeiten am Defender. Wir sprechen also über eine Manufaktur, jedes Fahrzeug ist ein Unikat: Für die Bohrlöcher der Nieten, die eine ganz wesentliche Aufgabe beim Zusammenhalt der Karosserie erfüllen, gibt es keine Schablone. Die entstehen mit Augenmaß. Erfahrung. Gefühl. Alles in Handarbeit. 110 Autos bauen sie pro Tag, 72 Stunden vergehen vom ersten Handgriff bis zum fertigen Auto, alle sechs bis zehn Minuten wird ein Defender fertig. Beim Range Rover ist das Verhältnis umgekehrt. Da sind es 600 Roboter und eine Handvoll Menschen. Hier lacht das Herz des Erbsenzählers: Exakt alle 75 Sekunden ploppt ein Range vom Band. Und das im Dreischichtbetrieb. Bei 90 Prozent geringerem Stromverbrauch im Vergleich zur Defender-Fertigung.

Für viele Menschen entlegener Weltteile ist der Defender das erste Auto, das sie in ihrem Leben zu Gesicht bekommen haben.

160 Besucher nutzen täglich die Möglichkeit, im Rahmen der Defender Celebration Tour einen letzten Blick in die historischen Werkshallen zu machen. Mit dem Ende der Defender-Baureihe, wie wir sie heute kennen, werden die Werkzeuge abgebaut und eingemottet; eine außereuropäische Weiterproduktion ist nicht geplant. Die historische Backsteinfassade der Lode Lane Factory mit der hölzernen Drehtüre steht unter Denkmalschutz, der Rest wird geschleift. Das Gebäude hat sich mittlerweile nämlich an das darin entstehende Produkt angepasst – richtig geraten: Es regnet hinein.

Fotografie für Jaguar Land Rover Österreich
Reportage für das 4wd Magazin und den Allradkatalog