Wir besuchen die älteste Republik der Welt, den Geburtsort von Michelangelo Buonarroti und die Quelle jenes Flusses, der den berühmtesten Zwillingen Roms in ihrem Weidenkörbchen als Transportweg gedient hatte.
Auf den Straßen von Sant’Agata herrscht Trubel, die Wiesen rund um den Ort sind dicht verparkt. Im Oktober ist Trüffel-Hochsaison, und jeden Sonntag ist eine Verkaufsmesse. Neben dem bei italienischen Märkten unvermeidlichen Plastikramsch und Billigkleidung aus asiatischer Kinder- oder Zwangsarbeitsmanufaktur werden saftige Wurst und herzhafter Schinken sowie würziger Käse und stachelige Edelkastanien feilgeboten.
Jeder Händler wirbt mit Kostproben für seine Ware, doch selbst bescheidene Einkäufe hier und da sind geeignet, das Fassungsvermögen selbst großzügig bemessener Seitenkoffer rasch zu überschreiten. Note to myself: Es spricht einiges dafür, nicht auf Achse anzureisen, sondern das Bike im Transporter ins Land zu bringen. Für die weißen und schwarzen Knollen des Schlauchpilzes, der im Zentrum der Veranstaltung steht, reicht angesichts der aufgerufenen Tarife auch ein Eckerl im Tankrucksack.
Als Land der Piloten und Motoren bezeichnen sich die Marken, und selbstverständlich findet sich der Slogan Terra di Piloti e Motori auch unter der Ortstafel von Tavullio – wenn man Glück hat, denn die ärgerliche Unsitte, Pass-Schilder mit Aufklebern zuzupflastern, hat sich mittlerweile auch auf andere Tafeln ausgedehnt. Das an sich unscheinbare Nest in der Pampa hinter Pesaro ist die Heimat von Valentino Rossi, der Farbe Gelb und der Zahl 46, die als Fahne nicht nur an jeder Straßenlaterne flattert, sondern im örtlichen Café selbst auf den Cappuccino gestreuselt wird.
Mit einem kleinen Umweg erreiche ich dennoch mein Ziel, den kleinen Weiler Caprese Michelangelo. Klingt nach Vorspeise und Künstler, letztere Assoziation trifft vollinhaltlich zu. Am höchsten Punkt des Ortes befindet sich dessen historische Festungsanlage mit einem kleinen Museum im Geburtshaus des Ausnahme-Talents, das als Maler, Bildhauer und Baumeister einzigartige Werke von Weltgeltung geschaffen hat: Das großartige Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle, die meisterhafte Konstruktion der Kuppel des Petersdoms, die gewaltige und dennoch beeindruckend detailreiche David-Statue in Florenz, …
Am Ende meiner Erkundung des Montefeltro stehe ich vor einer Marmorsäule, deren Gestaltung an dunkle Zeiten der europäischen Geschichte mahnt. Benito Mussolini magerlte dereinst, dass der Tiber, der – so steht es in den Stein gemeißelt – „heilige Ursprung Roms“, in der Toskana entspringt. Wenn man wen kennt, kann man sich manchmal was wünschen. Leichter geht’s freilich, wenn man selbst derjenige ist. Und als faschistischer Diktator hat man weder Mühe noch Skrupel, möchte man die Grenzen der Heimat nach eigenem Ermessen gestalten. Daher liegen seither der Monte Fumaiolo und die ebendort zu Tage plätschernde Quelle des Tiber in der Geburtsregion des Duces, der Emilia-Romagna.
Recherche der Route, Fotografie und Reportage